… und kletterte

In motorik, Zeitschrift für Motopädagogik und
Mototherapie – Nr.2, 2001
haben wir erstmals über die Verbindungen von Psychonmotorik, kirchlicher Arbeit und Seelsorge berichtet:

Ulrike Dittmar & Christian Ditmar   –   …. und kletterte auf einen Feigenbaum
Überlegungen zu Erfahrungen mit Psychomotorik in kirchlichen Arbeitsfeldern

Wir nennen unser Projekt „Erlebnisorientierte Seelsorge“ Es ist der Versuch, Erlebnisse draußen – unter freiem Himmel – mit Körpererfahrungen in umfassende Bereiche kirchlichen Arbeitens mit hinein zunehmen.
Dabei arbeiten wir mit einem Konzept, in dem wir Menschen in ihren Lebenswelten – auf ihren eigenen Wegen – aufsuchen.

Glaube ist kein geronnener Lernstoff, sondern Erlebnis und Erfahrung. Im Rahmen unserer kirchlichen Arbeit werden Ereignisse im Leben eines Menschen mit Hilfe biblischer Geschichten, kirchlicher Tradition und religiöser Erfahrungen wahrgenommen und verarbeitet. Das wollen wir in unserer kirchlichen Arbeit ermöglichen – in Kliniken genauso, wie in der Gemeindearbeit, bei Einsätzen auf Campingplätzen oder bei der Begleitung von Kurgästen und in der Fortbildung kirchlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
„Wege gehen“ ist das Motto unserer Arbeit:
· Kindern und Jugendlichen „Wege ermöglichen“ durch Spielformen und erlebnispädagogische Aktionen.
· „Neue Wege gehen“ in der Fortbildung von JugendleiterInnen und PfarrerInnen.
· „Einen Weg mitgehen“ als Beschreibung dessen, was in unserer Seelsorgearbeit in Gemeinden und Kliniken passiert.

Arbeit mit Kindern
Im Folgenden werden wir aus der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, zwei Beispiele vorstellen, in denen wir versuchen den Zugang zu biblischen Inhalten durch Körpererfahrung zu vermitteln. Wir arbeiten dabei mit Elementen aus der Motologie und der Erlebnispädagogik.
In unserer Arbeit sehen wir das Kind (wie in der Psychomotorik) als handelndes Subjekt. Damit hat unsere religionspädagogische Arbeit das selbstbestimmte Handeln eines Kindes und die Befähigung zum selbständigen Handeln zum Ziel , nicht primär die Vermittlung von religiösen Inhalten und Lernstoffen

Wir gehen davon aus, daß der Aneignung eines biblischen Textes bzw. eines religiösen Inhalts immer schon die verschiedensten Erfahrungen vorausgehen. Alles Neue, das uns begegnet interpretieren wir vor dem Hintergrund all dessen, was wir bereits erlebt haben.
So versuchen wir Erfahrungen und Erlebnisse mit biblischen Inhalten zu verbinden. Eine biblische Geschichte wird von einem unmittelbaren Erlebnis interpretiert und umgekehrt ist die Geschichte eine Deutungsmöglichkeit für das Erlebte.
Dieser Versuch soll an folgenden zwei Beispielen verdeutlicht werden:
In den Sommerferien gestalten wir seit 1998 im Rahmen von Kirche unterwegs gezielt erlebnispädagogische Einheiten und nehmen bewußt Elemente der Körperwahrnehmung dazu.
Unsere Angebote sind an möglichst alle Altersgruppen gerichtet, die auf dem Campingplatz vertreten sind. Die wichtigste Gruppe für unsere Arbeit waren Kinder im Alter von etwa 4 bis 12 Jahren. Wir formulierten als unsere Aufgabe: „wir machen ‚was miteinander“.
Für Kinder gab es täglich ein bis zwei Angebote von etwa eineinhalb Stunden. Wir initiierten Spieleparkours , boten einzelne Aktionen, wie Schatzsuche oder Kanufahren an und bezogen biblische Themen und erlebnispädagogische Spiele aufeinander:

Zachäus der Zöllner

Diese Geschichte (Lukas 19 ) handelt von einem Zöllner, einem Sünder, der durch sein Verhalten innerhalb einer festen Dorfgemeinschaft eine Spitzenposition einnimmt, aber auch ausgeschlossen ist von aller Gemeinschaft. Als Jesus kommt, steht er abseits und muß wegen seiner geringen Körpergrpße auf einem Baum steigen um ihn sehen zu können. Damit steht er wieder – lustvoll zwar, aber auch unsicher – über und doch nicht in der Gemeinschaft. Dort holt ihn Jesus herunter und nimmt ihn durch sein Verhalten in die Gemeinschaft wieder auf. Er ermöglicht ihm umzudenken, einen neuen Weg zu gehen.
Hier entschieden wir uns einen Teilaspekt der Geschichte zu betonen, uns interessierte weder die Sünde noch die Umkehr des Zöllners, sondern die Erfahrungen seiner Position, schwankend, auch lustvoll, das Angewiesen sein auf andere, Erfahrung von Gemeinschaft und den festen Boden unter den Füßen zu spüren.
Dazu bauten wir mit Hilfe einer Bierbank eine Schaukel auf der die Kinder all diese Erfahrungen des Zachäus manchen konnten.
Gemeinsames Schaukeln, sich aneinander festhalten müssen, angewiesen sein auf Hilfe zum Anschieben, genußvolles Schwingen, die Macht allein auf der großen Schaukel zu stehen…
Zum Erzählen der Geschichte mit der Betonung auf den Gefühlen des Zachäus standen und saßen alle Kinder gleichzeitig auf der Schaukel und wiegten sich leicht hin und her.

Wege

In einem weiteren Beispiel greifen wir das Motiv „Weg“ auf. Es ist ein biblisches und gleichzeitig existenzielles Motiv.
„Wege gestalten und bewältigen“ ist unser Arbeitstitel der Einheit.

Als Material stand den Kindern im Alter von 3 – 10 zur Verfügung: leere Bierkästen, ein langes Seil, ca. 30 Sprungseile, ein kleiner Baumstamm, eine Biertischgarnitur und eine Decke.
Nach anfänglicher Unentschlossenheit fanden sich die Kinder zu kleinen Gruppen zusammen. Sie setzten ihre Ideen für ein Stück Weg in die Tat um. Getrennt entstand ein Abschnitt zum Balancieren und eine Hängebrücke, die dann allgemeine Anerkennung fanden und durch eine „Rutschbahn“ verbunden wurden. Die Kinder genossen den Aufbau und die Bewältigung des Weges. Dabei entwickelten sie zunehmend größere Geschicklichkeit und Freude an ihren Fähigkeiten, Hilfestellung wurde von uns angeboten , aber nicht zwingend vorausgesetzt. Die Kinder lernten selbst zu verantworten ob und wieviel Hilfe sie brauchten.
Uns genügten dabei diese Grunderfahrungen . Durch einen Weg -Geschichte aus dem Alten oder Neuen Testament wäre es möglich diese Grunderfahrungen noch einmal aufzugreifen und zu vertiefen.

Resümee:
Wir stellen eine Verbindung her, zwischen biblischen Geschichten, die wir für wichtig halten und Erlebnissen, die wir den Kindern anbieten. Körpererfahrungen und Sozialerfahrungen sind Bestandteile sowohl der Geschichten, als auch der angebotenen Erlebnisse.
Die individuellen Erfahrungen eines Kindes sind natürlich nicht planbar und in ihrem Erfolg meßbar. Aber sie geben letztendlich Anstöße für eine existentiell bedeutsame Wahrnehmung der biblischen Inhalte , die möglicherweise auch für die eigenen Lebens“wege“ eine hilfreiche Rolle spielen können.

Klinische Seelsorgearbeit
Im dritten Teilbereich unserer Arbeit, der eher klassischen Seelsorge in unseren Gemeinden, also Besuch bei Menschen in einer besonderen Lebenssituation, ( hoher Geburtstag, Krankheit, Lebenskrise, Altersheim, Rehabilitationsklinik) versuchen wir Grundannahmen der Psychomotorik für kindliche Entwicklungsschritte auch auf die Arbeit mit Erwachsenen zu beziehen.
Wichtig sind uns dabei die Überlegungen zum Selbstkonzept und zur Identität, die im kindlichen Entwicklungsstadium sehr wichtig sind. Unserer Meinung nach haben sie auch für den sich weiterentwickelnden erwachsenen Menschen Bedeutung. Gerade in Krisensituationen, erleben wir Menschen, deren Selbstkonzept erschüttert ist oder immer wieder ins Wanken gerät.
Uns begegnen vielfach Menschen, die durch Krankheit oder Alter in ihren Bewegungsmöglichkeiten eingeschränkt sind, meist einer weiteren Reduzierung ihrer Fähigkeiten ins Auge sehen müssen und damit oft gleichzeitig gesellschaftlich an den Rand rücken.
Dadurch entwickelt sich (oder verstärkt sich, je nach Veranlagung) bei vielen alten oder kranken Menschen ein negatives Selbstkonzept, was uns in Seelsorgegesprächen immer wieder an Grenzen stoßen läßt.
Schon länger stellen wir auf „seelsorgerlichen“ Wanderungen mit Patienten fest, daß die Wahrnehmung der körperlichen Leistungsfähigkeit während des Weges einen großen Stellenwert hat und zur Metapher für die individuelle Biographie werden kann .
Mit den Erkenntnissen aus der Psychomotorik versuchen wir im Gehen und im Gespräch die Möglichkeiten zur Veränderung eines negativen Selbstkonzeptes, die in Bewegungsmöglichkeiten liegt, aufzugreifen und zu verstärken.
Die Patienten werden animiert die eigene Vorzüge zu erkennen, sich individuelle Bezugsrahmen zu schaffen und natürlich erfahren sie auch Wertschätzung unabhängig von ihren Fähigkeiten . Das Wissen um diese Zusammenhänge hilft uns dem Patienten Anstöße zu einem besseren Selbstkonzept und damit zu einem erfüllteren Leben zu geben.
Folgende Ausschnitte aus mehreren Gesprächen über einige Wochen hin mögen das verdeutlichen:

Patientin, Frau J. 89 Jahre, nach einem Schlaganfall fast bewegungsunfähig, hat bis zum Schlaganfall aktiv den eigenen Haushalt und Ehemann versorgt, sowie sich regelmäßig um zwei Urenkel gekümmert.

J : Da kommt man sich so nutzlos vor – ich tu ja gar nichts mehr!
P: Was tun sie nicht?
J: Ich kann nicht laufen, ich muß liegen , ich muß mich schonen ich muß warten, ich muß vorsichtig üben.
P: Sie tun viel!
J: Pause … naja aushalten und irgendwie weitermachen!
P:… und Kraft aufbringen und Geduld und Energie zum Gesundwerden.

2 Wochen später, Frau J gewinnt langsam an Bewegungsfähigkeit

Ich bin immer noch so schwach, da geht gar nichts mehr ( jammernd)

P: Was ging denn heute?

Ich bin gelaufen, um die ganze Station, eineinhalb mal!

P: Das ist ja doppelt soviel wie vor drei Tagen sie manchen ja riesige Fortschritte!
J: Aber…
P: …manches geht halt nicht mehr!
J: Vielleicht schaffe ich das, jeden Tag ein wenig an die frische Luft, ich bin so gerne draußen.
Eine Bergtour wird es nicht mehr! Und mein Garten, alles geht nicht mehr ( jammernd)
P: Sie haben doch eine großen Balkon, wie sie mir erzählt haben, was könnte man denn da mit Blumen machen, sie wissen doch da bestimmt gut Bescheid.
J: Ja,… (beginnt zu erklären und zu planen).

3 Wochen später, Frau J, hat beschränkte Bewegungsfähigkeit wiedererlangt, nach einem Reha Aufenthalt wird sie nach Hause gehen.

Jetzt muß ich ihnen noch was erzählen. Gestern habe ich meinen Urenkeln von meine Plänen erzählt, daß ich jeden Tag an die frische Luft will, und mir Essen auf Rädern kommen lasse und meine Kraft lieber in den Blumenkästen stecke und halt nicht mehr so aktiv bin.

P: Und…
J: Und dann sagte die eine :Gut Omama, dann weiß ich bei dir immer, daß du da bist, das ist schön.
P: Eine ganz neue Sichtweise, das können nur sie bieten
J: Ja, und nur weil ich nicht mehr so kann wie früher…

Ein anderer noch offener Punkt, an dem für uns Bewegung bei der Seelsorgearbeit eine Rolle spielen kann, ist in der Begegnung mit dementen Patienten. Vielfach ist der Zugang zu ihnen im Gespräch nur sehr eingeschränkt möglich. (In unserer Arbeit sind es oft bekannte religiöse Texte, an die sich Patientinnen und Patienten erinnern .

Eine Konfrontation oder Erinnerung mit einer vertrauten Bewegung (soweit dies noch möglich ist) oder einem Bewegungsablauf kann einen ganz anderen Zugang schaffen:

Frau V. (80) war Ballettänzerin an einem Theater. Ich begegne ihr im Aufenthaltsraum der Pflegestation eines Altersheims. Seit vier Monaten besuche ich sie jede Woche. Sie kennt mich nicht wieder und fragt mich alle 5 Minuten nach meinem Namen und wer ich sei. Dann reden wir immer dieselben Sätze:

Ich: Ich heiße Christian. Ich bin Pfarrer und bin zu Ihnen zu Besuch gekommen.
Frau V: Das ist aber schön. Wissen Sie es geht mir heute ganz schlecht. Ich bin ganz traurig. Gerade hab ich ein bißchen geweint.
Ich: Frau V., was ist es, was Sie zum Weinen bringt?
Frau V: Vielleicht können Sie mir helfen. Wie war doch Ihr Name…?
Ich: Ich heiße Christian.
Frau V. Christian. Ach ja. Herr Doktor. Ich müßte mal telefonieren. Vielleicht könnten Sie das für mich machen.
Ich: Wen wollen Sie denn anrufen?
Frau V: Wen will ich denn anrufen? Ja, gerade wußte ich es noch. Wie war noch der Name? Wie war noch Ihr Name?
Ich: Ich heiße Christian. …

Hier beginnt sich das Gespräch immer zu wiederholen. Eines Tages lief Musik im Radio, die sie wohl kannte.

Das Gespräch nahm eine Wendung:
Frau V: Wen will ich denn anrufen? Ja, gerade wußte ich es noch. Hören Sie!

Frau V. steht auf und wiegt sich im Stehen ganz leicht in den Hüften.

Frau V: Ich muß mal wieder tanzen. Auf die Bretter. Wir rufen meinen Agenten an. Er hat mir noch eine kleine Rolle versprochen.
Ich: Es zieht Sie wieder auf die Bühne?
Frau V: Ich habe alles getanzt. Das kann ich noch. Sehen Sie.

Frau V. trippelt mit den Füßen und hebt die Arme. Dann ist das Musikstück zu Ende. Als Frau V. das merkt, beginnt wieder der alte Kreislauf: Wie war noch Ihr Name?

Als ich ein paar Wochen später Frau V. auf dem Gang treffe, nehme ich sie zur Begrüßung an beiden Händen und wiege uns ganz leicht hin und her. Sie fängt sofort von ihren Tänzerinnen-Zeiten zu erzählen an.

An die Stelle eines akustischen Impulses trat eine Bewegung . Diese Bewegung ist mit der Erinnerung an den Beruf als Tänzerin verbunden. Ohne Bewegung scheint diese Erinnerung nicht zugänglich zu sein. Wenn unser Gespräch seine Kreise ums Telefonieren dreht, sitzt Frau V. auf einem Stuhl. Erst in Verbindung mit Bewegungen sind weitere Erinnerungen zugänglich.
Wenn wir den Impuls der Bewegung für das Erzählen ernst nehmen, läßt sich vielleicht auch das kreisende Gespräch ums Telefonieren so deuten:
Das (oft stundenlange Sitzen) im Aufenthaltsraum ruft eine Erinnerung an eine Szene (oder einen Lebensabschnitt) hervor, die sich genau so gedreht hatte. Wir geben in unserer Beobachtung dem „Sitzen“ im Aufenthaltsraum denselben Stellenwert wie einem akkustischen Impuls oder einer Bewegung.
Malen wir uns so eine Szene aus:
Frau V. sitzt zuhause vor dem Telefon. Sie tanzt nicht mehr. Es geht ihr aber dauernd durch den Kopf: Ich muß doch wieder tanzen. Wen ruf ich jetzt an? …

Wir gehen davon aus, daß solche Phantasien uns als Seelsorgerinnen und Seelsorgern weiterhelfen, weil wir sie anstelle des Patienten verbalisieren können und so vielleicht wieder eine Erinnerung ermöglichen.

Fazit
Grundsatz unseres Arbeitens als Pfarrerin und Pfarrer ist die Überzeugung, daß jeder (!) Mensch von Gott akzeptiert und angenommen ist (im weitest möglichen Sinne dieser Begriffe).
Es ist also nicht der Sinn von christlicher Seelsorge oder Kinder- und Jugendarbeit ein „Da-Sollt-Ihr-Hin“ zu formulieren. Das würde immer beinhalten, daß gesagt wird: „Jetzt ist es nicht so gut! Unser (christlicher) Weg ist besser!“
Uns ist die Begegnung der wichtigste Teil unserer Arbeit. Eine Begegnung, in der wir uns um Verstehen der Situation bemühen. Wir tun das, indem wir (für uns) immer wieder um den Satz ringen: „So wie es ist, ist es gut!“ Ob aus einer Situation eine Bewegung eines Patienten entstehen kann und wo diese Bewegung hingeht, können wir weder vorhersagen, noch lenken. Christliche Begegnung ist nicht mehr aber auch nicht weniger als ein „in Bewegung setzen“. Als Beispiel dienen uns die Begegnungen, die von Jesus erzählt werden. Diese Begegnungen ermöglichen durchwegs Bewegung und erneute Teilnahme am Leben . Sie begründen an keiner Stelle eine besondere vielleicht gar fromme Biografie.
Sich Bewegen können beinhaltet für unsere Arbeit als Seelsorger immer auch Sich nicht bewegen können.
Was die Psychomotorik für unser Arbeiten zunächst einmal austrägt, ist eine Erweiterung unserer Beobachtungsmöglichkeiten. Die Begegnung am Krankenbett bekommt zum Beispiel zur Situation „Ich bin krank“ den Aspekt hinzu: „Ich habe mich bis vorgestern immer bewegt und tue das seit zwei Tagen nicht mehr“. Zu unserem stark sprach-orientierten Kirchenleben tritt der Aspekt Körper- und Bewegungserleben hinzu .
In diesem Schritt versuchen wir Bewegungseinschränkungen zu thematisieren und ihnen einen biografischen Ort zu geben. Hier kommt unser Satz: „So wie es ist ist es gut“ in die Auseinandersetzung mit den Menschen, die uns begegnen. Unsere Frage ist dann die Frage nach dem Sinn der momentanen Situation. Niemand muß diesen Satz gutheißen können aber es bleibt ein Ringen um diesen Satz.
Bewegungseinschränkung benennen heißt immer auch Bewegungsmöglichkeiten und Bewegungsangebote (ausgesprochen oder nicht) mit anzusprechen. Und diese Bewegungsmöglichkeiten und Bewegungsangebote versuchen wir aufzugreifen:
· In dem Gespräch darüber, wo sie versagt bleiben
· In dem Hinweis an Patienten Bewegungsmöglichkeiten aufzugreifen
· In Bewegungsangeboten, die wir selbst machen können .
Kindern Bewegungsangebote zu machen liegt nahe. Ein Bewegungsangebot ist es aber auch, eine vorhandene Bewegung wahrzunehmen und zu verstärken, wie das im Beispiel mit der Patientin J. geschehen ist.
Für unsere seelsorgerliche Arbeit liegt hier das Potential, das wir gerade begonnen haben zu nutzen. Was wir in unserem kirchlichen Arbeiten mit Hilfe psychomotorischer Ansätze tun ist also zweierlei:
Wir können auf der einen Seite Körper und Bewegung als zentrales und sinnvolles (vor Gott immer gutes) Erleben der individuellen Situation wahrnehmen, wertschätzen und manchmal sogar methodisieren.
Auf der anderen Seite bietet sich in dieser Wahrnehmung für uns ein Korrektiv zu einem Arbeiten, das an protestantisch – intellektuellen (d.h. vor allem sprachfähigen) Ansprüchen orientiert ist enormes, kirchen- und theologiekritisches Potential: Wie wäre die Geschichte ausgegangen, wenn Zachäus, der oben auf dem Baum saß zu Jesus gesagt hätte: „Du, ich komm hier nicht mehr runter?“….